Frage zu Kapitel (2) Welches Projekt lohnt sich?

Frage
Die Auswahl der Projekte 2, 4, 6 und 7 kann ich nicht nachvollziehen, denn die Kombination 4, 5, 6 und 7 erzeugt 15 T€ mehr Durchsatz. Die Engpassressource, Mitarbeiter B, wäre auch nicht voll ausgelastet. Es gibt also keinen Grund, die Projektkombination 2, 4, 6, 7 auszuwählen. Oder?

Hintergrund zur Frage
In Kapitel 2 "Welches Projekt lohnt sich" wird die folgende Situation beschrieben (modifiziert zitiert):

Ein Unternehmen, das sein Geld mit Projekten verdient, hat fünf Ressourcen (A bis E), die jeweils 220 Tage im Jahr, acht Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Die Ressourcen können nicht erweitert werden. Die Betriebskosten des Unternehmens (ohne Materialkosten) belaufen sich auf 950.000 € / Jahr.

Für das nächste Jahr hat das Unternehmen die folgenden sieben Auftragschancen (Projekte P1 bis P7). Es kann frei entscheiden, welche Projekte es annimmt und welche nicht. Die Ablehnung eines Projektes hat keine negativen Auswirkungen (abgesehen davon, dass der Durchsatz nicht realisiert wird).

Für jedes Projekt ist bekannt:
  • der Umsatz, der mit dem Projekt erzielt wird
  • die geschätzte Nutzungszeit der verschiedenen Ressourcen je Projekt
  • die je Projekt voraussichtlich anfallenden Materialkosten

Tabelle 01

Das Unternehmen prüft nun zunächst, ob es genügend Kapazitäten für alle Projekte hat. Die folgende Tabelle zeigt, dass bei 220 verfügbaren Tagen pro Ressource jede Ressource überlastet ist. Die Ressource B ist die am stärksten belastete Ressource:


Tabelle 02

Das Unternehmen muss daher nun entscheiden, welche der sieben Projekte angenommen und welche abgelehnt werden.

Eine Methode der Bewertung ist die „klassische“ Berechnung der Projektkosten. Dazu werden die Betriebskosten des Unternehmens auf die Arbeit der Ressourcen „umgelegt“: Die Betriebskosten betragen 950.000 € / Jahr. Fünf Ressourcen stehen jeweils 220 Tage / Jahr zur Verfügung, insgesamt also 1.100 Tage. Legt man die 950.000 € auf die 1.100 Tage um, ergibt sich ein Tageskostensatz von 863,64 € / Tag.

Die Arbeitskosten für die sieben Projekte belaufen sich auf:


Tabelle 03

Und daraus errechnen sich die Projektergebnisse der Projekte wie folgt:


Tabelle 04

Nach dieser Rechnung sind P4, P5, P3 und P1 die lukrativsten Projektergebnisse. Mehr Projekte kann das Unternehmen nicht realisieren, denn die Ressource B ist durch diese vier Projekte bereits mit 220 Tagen voll ausgelastet.

Die Summe ihrer Projektergebnisse beträgt 395 T€. Soviel Geld hat das Unternehmen aber leider nicht verdient, wie die folgende Kontrollrechnung zeigt:


Tabelle 05

Die Kontrollrechnung führt zu einem Verlust von 15 T€ statt zu einem Gewinn von 395 T€. (Die 395 T€ sind kalkulatorischer Projektgewinn. Jeder Controller weiß, dass die Kostenrechnung nur eine „grobe Annäherung“ ergibt. Leider liegt diese Annäherung hier ziemlich weit daneben.)

Eine andere – ebenso irreführende – Berechnungsmethode besteht darin, den Deckungsbeitrag pro Arbeitstag zu errechnen und dadurch zu ermitteln, welche Projekte besonders rentabel sind.


Tabelle 06

Auch hier ergeben sich die Projekte P1, P3, P4 und P5 als die lukrativsten Projekte, nur in einer anderen Reihenfolge.

Eine dritte Bewertungsmethode geht davon aus, dass – wie Tabelle 2 zeigt – die Fähigkeit des Unternehmens, Geld zu verdienen, durch die Kapazität der am stärksten belasteten Ressource, also der Ressource B begrenzt wird. Es sollten also die Projekte ausgewählt werden, bei denen B bestmöglich „ausgenutzt“ wird.

B wird dann bestmöglich ausgenutzt, wenn pro Einsatztag von B ein möglichst hoher Deckungsbeitrag (die Theory of Constraints verwendet hier auch den Begriff „Durchsatz“) erzielt wird. Deshalb wird in der folgenden Tabelle der Durchsatz pro Tag der Ressource B berechnet:


Tabelle 07

Nach dieser Auswertung sind die Projekte P2, P4, P5 und P6 am lukrativsten. Die folgende Kontrollrechnung zeigt, dass diese Projektkombination ein deutlich besseres Unternehmensergebnis erzeugt:


Tabelle 08

Ausgehend von diesen Überlegungen wird daher empfohlen den „Durchsatz pro Engpasseinheit“ als primäres Entscheidungskriterium zu verwenden.

Antwort zur Frage
In der Tat erzielt das Unternehmen mit der Projektkombination 4, 5, 6 und 7 einen höheren Durchsatz, nämlich 1.015 T€ - ebenso wie bei Kombination 2, 4, 5 und 7.

Die Kombinationen 4567 und 2457 nutzen mehr Kapazität des Engpasses (nämlich jeweils 215 Tage) als die Kombination 2467 (mit 200 Tagen).

Die Kombinationen 4567 und 2457 nutzen den Engpass besser aus; nicht dadurch, dass sie mehr Tage des Engpasses verwenden, sondern dadurch, dass sie aus den verfügbaren 220 Tagen mehr Durchsatz realisieren.

Wenn man – wie im Buch – alle Auftragschancen kennt, kann man die verschiedenen Kombinationen durchrechnen.

Realistischer ist allerdings, dass man sich immer wieder in der Situation befindet, einige (oder viele) Projekte bereits verkauft zu haben (die damit nicht mehr zur Disposition stehen) und aktuell eine (oder einige wenige) weitere Auftragschance(n) bewerten zu müssen. Gleichzeitig weiß man nicht, welche konkreten Auftragschancen als nächstes auf das Unternehmen zukommen werden.

In diesem Fall ist „Durchsatz / Engpasseinheit“ erfahrungsgemäß eine recht gute (und zudem einfach handhabbare) Entscheidungshilfe.

Im Buchbeispiel kommt man mit dem „klassischen“ Ansatz (Durchsatz / Ressourceneinsatz) auf die Kombination 1345 und erzielt damit nur 935 T€ Durchsatz.

Das Kapitel 2 des Buches soll zeigen, dass
  1. etablierte Berechnungsmethoden zu drastischen Fehlentscheidungen führen können,
  2. das Unternehmen dann bestmöglich verdient, wenn es seinen Engpass bestmöglich ausnutzt,
  3. die bestmögliche Engpassnutzung darin besteht, möglichst viel Durchsatz mit der begrenzten Kapazität des Engpasses zu realisieren und daher
  4. „Durchsatz / Engpasseinheit“ eine gute und praktikable Entscheidungsgrundlage darstellt.
Bei einer Neuauflage bedarf das Kapitel 2 zweifellos einer entsprechenden Ergänzung.

Korrekturen zu Kapitel (2) Welches Projekt lohnt sich?

Seite 28
  • Tabelle 9, Spalte P7, Zeile"Durchsatz in T€" - richtig ist: 275 (statt 225)
  • Tabelle 10, Spalte P7, Zeile "Durchsatz in T€" - richtig ist: 275 (statt 225)
Seite 29
  • Tabelle 11, Spalte "Engpassverbrauch", Zeile P7 - richtig ist: 55 (statt 45)

Korrekturen zu Kapitel (3) Wenn sich Projekte im Weg stehen

Seite 38
  • Abbildung 2, die Entität "Ein erfolgreiches Unternehmen sein" ist besser verständlich in der Formulierung "Das Unternehmen will erfolgreich sein"
Seite 74
  • Abbildung 16, die unterste Aussage "Staffelläuferprinzip ist installiert" ist ein Druckfehler. Richtig wäre: "Eine gängige Annahme ist, dass die Optimierung von Teilen automatisch zur Optimierung des Ganzen führt" oder kürzer "Es gilt das Paradigma der lokalen Optimierung".

Korrekturen zu Kapitel (4) Ergebnisorientierte Projektplanung

Seite 99
  • Die "negative Endlosschleife" ist einfacher zu verstehen, wenn man sie mit je einer Pfeilspitze in die Aussagen "Unnötige Abhängigkeiten werden eingeplant" und "Unnötige Aufgaben werden eingeplant" versieht.

Korrekturen zu Kapitel (6) Projekte sinnvoll steuern mit neuen Kennzahlen

Seite 142
  • Abschnitt 6.1, 1. Absatz: Damit das "magische Dreieck" in Übereinstimmung mit der Darstellung auf Seite 10 ist, wäre es gut, hier "Kundenanforderungen" zu ersetzen durch "Qualität (Erfüllung der Kundenanforderungen)"